Im Jahr 2006 erschien in den USA erstmal ein Artikel zum Thema Neuroleadership. „The Neuroscience of Leadership“ von David Rock und Jeffrey Schwartz begeisterte viele Praktiker und auch ich einer davon. Die Identifikation jener neuronalen Strukturen, die an den für die Mitarbeiterführung relevanten Prozessen beteiligt sind, soll zur Weiterentwicklung bekannter Führungstheorien und -modelle führen. In meiner Ausbildung der Neuro-Linguistischen-Programmierung (NLP) war ich fasziniert von der Wirkung der Spiegelneuronen. Im Konzept „Spiegeln“ versuchen wir mit Hilfe der Körpersprache als auch des verbalen Sprechens mit dem Geschäftspartner einen Gleichklang zu etablieren. Das geschieht zu meist unbewusst, hilft aber die sprichwörtliche „Chemie“ zwischen zwei Personen zu verbessern. Chemie ließe sich beim Gehirn primär mit Hormonen assoziieren.
Mich faszinierten diese Erkenntnisse und ich begann mehr und mehr zu erfahren über neurobiologische Grundlagen wirksamer Veränderungsprozesse. Mir waren aber auch die kritischen Diagnosen, der fehlenden empirischen Überprüfungen zu den vorhandenen Konzepten, aus dem wissenschaftlichen Bereich bekannt (Hinweis: eine Diskussion, die es auch immer wieder im Neuromarketing u.a. gibt). Ich möchte mich auch an dieser Diskussion gar nicht beteiligen – dazu gibt es andere Berufene dazu – sondern aus den vorliegende Erkenntnissen und Lernerfahrungen ein paar Ideen für die Praxis aufgreifen. Christian E. Elger hat mich u.a. wohl mit dem ersten deutschsprachigen Buch zum Thema „Neuroleadership“ beeinflusst und fasziniert zugleich. Elger kennzeichnet dabei vier wesentliche Systeme im Gehirn, die im Rahmen des Neuroleaderships relevant sind: das Belohnungssystem, das emotionale System, das Gedächtnissystem und das Entscheidungssystem. Seine Erkenntnisse im Zusammenspiel dieser Systeme sind für mich ganz wesentliche Elemente um einen Mehrwert in der Transformation dieser in den betrieblichen Alltag eines Veränderungsprozesses.
Nehmen wir mal das emotionale System im Veränderungsprozesse. Das Gehirn verarbeitet rationale und emotionale Komponenten aus der Umwelt getrennt voneinander und formt daraus das menschliche Verhalten. Wenn Veränderungsprozesse kommuniziert werden, wird in vielen Fällen unterschätzt, dass Fakten sich an Emotionen binden. Informationen zum Zielbild einer Veränderung wird durch implizite Bewertungen als Emotionen gespeichert. Wenn wir das wissen, dann verstehen wir wie wichtig Emotionen in Zielbilder sind. Dies kann mit unterschiedlichen Methoden erreicht werden. Dem Kommunikator (Unternehmensleitung oder Führungskraft) muss aber klar sein, dass dadurch ihr Verhalten der Mitarbeiter im Change Prozess determiniert wird. Ihr innere Einstellung wird da bei oftmals gespiegelt und Mitarbeiter merken dabei sehr schnell ob das Management vom eigenen Projekt überzeugt ist.
Das Gehirn als soziales Organ strebt nach Fairness. Anderseits habe ich in vielen Veränderungsprozessen von Top Managern immer wieder gehört, „jede Veränderung hat Gewinner und Verlierer“. Ist das die Kapitulation für ein erfolgreiches Change Management? Mit Nichten, auch wenn es wahr ist, dass das subjektive Empfinden für einen fairen Veränderungsprozess generell nicht leicht zu gewährleiten ist, kann durch positives Feedback das Belohungssystem aktiviert und die empfundene Ungerechtigkeit minimiert werden.
Das sind nur mal zwei Aspekte (und natürlich gibt es noch einige mehr), die zum Nachdenken anregen sollen und ich bin mit Sicherheit bei meiner Suche und Lernen noch lange nicht an dem Punkt angelangt, an dem ich Erkenntnisse insbesondere aus der kognitiven Neurowissenschaften in ein wissenschaftlich fundiertes Organizational Design (OD) Modell überführen kann. Vielleicht wird das eines Tages der Fall sein, was meine wissenschaftliche Eitelkeit befrieden würde. Als Praktiker im Change Management ist es mir aber vor allem wichtig, diese Erkenntnisse in ein modernes organisationales Management System überzuführen. Organisationen sind ganz bestimmt keine Orte der Sozialromantik; sie sind Orte an denen Menschen eine gute Leistung erbringen sollen. Schaffen wir daher jene Rahmenbedingungen, damit dies auch die besten Leistungen sind – und dafür habe ich NeuroChange gegründet.