Organisationen als soziale Systeme leben von Kommunikation oder anders gesagt, ohne Kommunikation gibt es keine sozialen Systeme. Kommunikation ist auch nur im sozialen Kontext möglich. Sie ist nie nur von einer Person gestaltbar. Für Luhmann ist Kommunikation eine dreistufige Interaktion und setzt sich aus (1) Information, (2) Mitteilung und (3) Annahme zusammen. Eine offensichtlich (in der Theorie so) einfache Struktur zwischen zwei oder mehreren Akteuren und dennoch in der Praxis so schwierig. Vielleicht liegt es aber daran, dass der innerpsychische Prozess bei der Kommunikation in Wahrheit wie eine Black Box für uns ist. Luhmann wies bereits daraufhin, dass nur Sprache, Schrift oder wahrnehmbare Mimik und Gestik beobachtbar ist und alles was kommuniziert wird, durch „den Filter des Bewusstseins“ läuft. Kommunikation ist daher weder beobachtbar noch kontrollierbar.
Eine junge Führungskraft fragte mich einst, was er tun könne gegen Story Tellings in einem Veränderungsprozess. Ich gab ihm die Empfehlung, sich bei negativen Emotionen nicht zu beteiligen aber die Positiven verstärken – aber in jedem Fall teilnehmen an der Kommunikation, ignorieren hilft nicht. Wir können (und sollen) die Kommunikation in Veränderungsprozessen nicht unterbinden; es wäre auch schlichtweg nicht möglich. Immer wieder erlebe ich, dass Exekutives in ihrer Kommunikation sehr zurückhaltend sind und das umso mehr, je mehr Rumors in der Organisation kommuniziert werden. Das ist aber gewiss der falsche Weg, denn wenn Kommunikation nicht transparent geführt wird, dann verlagert sich diese nur in intransparente innerorganisationale Netzwerkstrukturen, aber sie bleibt bestehen. Gerade Entscheidungen müssen transparent kommuniziert werden. Wenn diese nicht verstanden werden, führt es meistens zu negativen Emotionen und das irritiert den Change.
Folgen wir daher mal gedanklich den drei Selektionsschritten von Luhmann (siehe oben) bei einer Entscheidung in einem Veränderungsprozess:
Im ersten Schritt geht es darum Informationen für Entscheidungen zu erhalten. Exekutives bedienen sich dabei von Wissen und Ansichten der internen und externen Experten. Aber wir wissen dabei nicht, ob diese Informationen vollständig sind. Sei es, weil diese Experten ihre Eigeninteressen verfolgen, oder weil sie so manches nicht kommunizieren, weil sie es implizit annehmen. Aber auch der Empfänger, der Entscheider könnte in der Minute der Kommunikation unachtsam sein und daher die Information nicht richtig aufnehmen. Was auch immer der Grund ist, wir wissen es nicht. Aber wir können davon ausgehen, dass Entscheidungen auf eingeschränkte Informationsbasis erfolgen. Und so wie wir jetzt gerade Hypothesen über die Hintergründe anstellen, werden es dann später auch jene tun, die von der Entscheidung erfahren.
Im zweiten Schritt wird die Information mitgeteilt. Ort, Zeit, Form etc. machen einen wesentlichen und nicht zu unterschätzenden Unterschied. Kommunikation erfolgt nie nur auf einer kognitiven Ebene. Wie Manfred Wimmer es sagte „Emotionen ohne Kognitionen sind blind und Kognitionen ohne Emotionen leer“. Dies dürfen wir nie vergessen, insbesondere wenn wir Informationen über elektronische Kommunikationswege übermitteln. Email oder Videoansprachen vermitteln Emotionen viel schwieriger als der direkte soziale Kontakt. Der Empfänger der Information muss den Entscheidungsprozess emotional nachvollziehen können, um selbst zu einer Entscheidung zu kommen, ob er die Wahl teilen kann oder ablehnen wird.
Doch erst mit dem dritten Schritt, der Annahme, entsteht Kommunikation. Denn nun wird die Information von den Mitarbeitern angenommen und sie reden darüber. So werden sie dann selbst zum Kommunikator. Wie sie diese Information kommunizieren, hängt davon ab, mit welchen Emotionen sie die Entscheidung aufgenommen haben und welche Erfahrungen sie persönlich damit verbinden. Exekutives und Change Agents haben oftmals vor diesem Prozessschritt die größte Angst; die Angst diesen Prozess nicht steuern zu können (weil er auch unsteuerbar ist). Daher vermeiden sie die Kommunikation was den Prozess aber noch viel mehr blockiert.
Dabei frage ich mich oft, wovor haben wir dabei Angst? Haben wir Angst unsere eigenen Entscheidungen zu begründen? Haben wir Angst über unsere Entscheidungen einen Dialog zu führen? Aber darum geht es ja gar nicht. Kommunikation ist gelungen, wenn Kommunikation weiter kommuniziert. Und dieser Anschluss kann sich in Zustimmung zur Veränderungsidee oder genau so gut in Skepsis oder Ablehnung äußern. Wie auch immer, der Anschluss erzeugt den „Dialogue of Change“ und dieser Dialog ermöglich uns erst an der Veränderung gemeinsam zu arbeiten – alles andere ist Stillstand und im Stillstand gibt es keine Veränderung.